Vinylplatten, Einmachgläser, alte Stahlräder und Flower Power Mode. Dinge, die uns in diesen Tagen wieder täglich begegnen und unser Leben begleiten. Würde ein Zeitreisender aus den 50-60er Jahren in das Jahr 2018 kommen, hätte er vermutlich Schwierigkeiten die “Moderne” zu erkennen. Retro ist in – ein Trend und eine Lebenseinstellung. Alles neu und doch alt.
Mit Birkenstock Sandalen an den Füßen und ein klassisches Eis ohne Zusatzstoffe in der Hand. Gleichzeitig die Musik vom Smartphone über teure, moderne Kopfhörer und einem Streamingdienst hören. Kann Retro und Modern Hand in Hand gehen oder ist es nur ein Trend, wie der Tarnlook in den 90ern? Warum besinnen sich viele Menschen wieder an das Alte? Vor allem Altes, welches sie nicht erlebt haben?
Zurück zu den Wurzeln
Betrachtet man die jüngeren Generationen – die sogenannten Digital Natives – streben viele nach den “guten, alten Werten”. Besinnen sich auf das was war. Als Außenstehender könnte man von einer Nostalgie sprechen. Doch haben diese jungen Menschen, jene Werte und Dinge nicht live miterlebt. Sie kennen sie nur aus Erzählungen oder gar nur aus den Medien. Alte Plattenspieler, Vinyl Platten, Rollschuhe, Jukeboxen, Urlaub mit dem Bully und der damit verbundene Lifestyle.
Alte Keller und Dachböden von den Eltern und Großeltern werden geplündert. Flohmärkte und Second Hand Läden erleben Höhenflüge und unvergleichliche Besucherzahlen. Selbst der kleine Tante Emma Laden am Eck, der seit Jahrzehnten ums Überleben kämpft ist plötzlich Anlaufstelle Nummer 1.
Dahinter steckt nicht nur die Liebe zu Rockabilly oder dem Nachlaufen eines Trends. Die neu entdeckte Liebe zu Retro ist ein Schrei nach der Einfachheit des Lebens. Einen Gang zurück schalten, sich wieder darauf zu besinnen worauf es ankommt.
Der Retro Trend als Mittel zum Zweck
Im digitalen Zeitalter wird die Gesellschaft von Reizen überflutet. Mehrfache Mediennutzung und der Freizeitstress führen dazu, dass man nicht mehr richtig genießt. Musik wird nebenbei gehört, zur Untermalung einer eigentlich anderen Tätigkeit. Dies führt dazu, dass zwar die Musik gehört wird, aber nicht wirklich wahrgenommen und genossen wird. Natürlich heißt nicht, dass die Verwendung eines Plattenspielers und einer Vinylplatte automatisch zu einem wahrgenommenen Genuss führen. Doch Retro heißt nicht nur alte Dinge zu mögen, sondern ist eine Lebenseinstellung. Besinnung auf das Einfache, Abschalten von Mehrfachbeschallung und die eigentliche Tätigkeit in den Mittelpunkt stellen. Wie zum Beispiel ein Musikalbum seines Lieblingskünstlers hören oder einfach nur ein Buch lesen.
Früher war alles besser! Stimmt nicht. Früher hatten Dinge nur unter Umständen mehr wert und man lebte nicht in einer Wegwerfgesellschaft. Ein neuer Fernseher wurde sich nur alle zehn Jahre oder mehr geleistet. Produkte waren nicht nur Statussymbole, sondern wurden überlegt gekauft und teilweise langfristig angespart. Bevor heute ein Fernseher zum Beispiel, zur Reparatur gebracht wird, wird sich eher überlegt ohnehin gleich einen Neuen zu kaufen. Produkte sind leistbar und verlieren dadurch aber auch gleichzeitig an Wert und Bedeutung.
Vielleicht ist der Retrotrend nicht doch nur eine Modeerscheinung und lässt die Menschheit wieder auf das einfachere Leben besinnen.